Stefano Libertis „Land grabbing. Come il mercato delle terre crea il nuovo colonialismo“ schneidet tief hinein in eine zentrale Herausforderung der Gegenwart: Landwirtschaft, Ernährung, Armut, Gerechtigkeit, Bodenverteilung, Lebensstil, Kapitalismus, Neokolonialismus. Er beschreibt, wie seit der Krise auf den Finanzmärkten, die im Jahr 2008 einsetzte, mehr und mehr Spekulanten und Investoren sich auf den Nahrungsmittelbereich stürzen. Länder mit schlechter Grundversorgung aus eigener Landwirtschaft versuchen, sich zu Spottpreisen Böden in afrikanischen Ländern zu sichern, um ihre eigene Bevölkerung zu ernähren.
Alle diese Begriffe sind mit Fragezeichen zu versehen, denn es ist alles nicht so einfach, wie das heute meist dargestellt wird. Von einem reinen Neo-Kolonialismus sollte man nicht sprechen. Es sind nicht die bösen raffgierigen Spekulanten, die den unschuldigen Afrikanern ihre Böden rauben.
Zitat Liberti: „Die Wahrheit liegt wahrscheinlich irgendwo in der Mitte – probabilmente la verità è da qualche parte nel mezzo“ (Elektronische Ausgabe bei Kindle, Position 2227). Ganz unsere Rede! Wir sind ja die Partei der Mitte!
Allerdings gelangt Liberti am Ende seiner langen, scharfsichtigen Analyse mit Hunderten von Gesprächen zu einer in dieser Eindeutigkeit überraschenden Schlussfolgerung. Er schreibt:
I responsabili principali di questa svendita indiscriminata di terre sono i governi nazionali, che barattono le risorse del paese per un pugno di valuta forte – o, nel peggiore dei casi, per un bonifico in dollari su un conto domiciliato all’estero (Kindle-Ausgabe, Position 3558).
Das ist zu deutsch:
„Die Hauptverantwortlichen für diesen hemmungslosen Ausverkauf der Flächen sind die nationalen Regierungen, die die Ressourcen des Landes für eine Handvoll, eine Faust an Devisen in starker Währung verscherbeln – oder schlimmstenfalls für eine Gutschrift in Dollar auf einem im Ausland geführten Konto.“
Hört hört! Nicht die Märkte, nicht die Spekulation, nicht der Neoliberalismus, nicht der Neokolonialismus, nicht der Kapitalismus und nicht einmal die EU sind laut Stefano Liberti verantwortlich zu machen für den Ausverkauf des Bauernlandes, sondern unverantwortliche afrikanische Regierungen, die das Land aus dem Staatsbesitz heraus an den Meistbietenden verhökern, um sich die eigenen Taschen zu füllen. So schreibt es schroff und deutlich Liberti! Wir konstatieren dies hier nur.
Man sollte Libertis Buch, das neuerdings unter dem Titel „Landraub“ auch in deutscher Übersetzung im Berliner Rotbuch Verlag vorliegt, sehr genau lesen. Es lohnt sich!
Ich meine: Es spricht in der Tat einiges dafür, dass die Probleme der meisten afrikanischen Staaten – wie Liberti meint – an der Politik dieser einzelnen Länder liegen, an den Machthabern, die vor allem an den eigenen Vorteil denken. Wir gehen einen Schritt weiter:
Gäbe es den funktionierenden Rechtsstaat mit Einhaltung der Menschen- und Bürgerrechte, gäbe es eine echte Marktwirtschaft mit parlamentarischer Demokratie und würden die Regierungen sich vorrangig um die Interessen der Bevölkerung kümmern, sähe die Lage in Afrika anders aus. Sie sähe dann vielleicht etwa so aus wie in dem früher so armen Südkorea oder dem früher so armen Schwabenland.
Lies das:
Stefano Liberti
Landraub
Reisen ins Reich des neuen Kolonialismus
Rotbuch Verlag, ISBN 978-3-86789-155-4
256 Seiten
12,5 x 21,0 cm
geb.
sofort lieferbar
Preis 19,95 €