Gemeinschaft im Wort: Griechisch-deutsche Übersetzungen

Ἀνὴρ δέ τις Ἁνανίας ὀνόματι σὺν Σαπφίρῃ τῇ γυναικὶ αὐτοῦ ἐπώλησεν κτῆμα

„Ein Mann namens Hananias verkaufte zusammen mit seiner Frau Saphira eine Immobilie …“

Mit diesen Worten beginnt ein griechischer, heute weithin vergessener Schriftsteller seine kleine Erzählung über einen Streit über die Pflicht, die Wahrheit zu sagen. Hananias und Saphira lauten die schönklingenden Namen des Ehepaares, das sich der Gemeinschaft erkenntlich zeigt und einen Teil des Erlöses aus dem Verkauf einer eigenen Immobilie der Gemeinschaft zur Verfügung stellt. Nicolas Poussin hat die Szene sehr schön gemalt, man findet sein Bild im Louvre. Allerdings unterschlagen Hananias und Saphira der Gemeinschaft einen Teil der Wahrheit, indem sie – unabhängig voneinander – einen falschen Preis nennen und die verschwiegene Differenz einbehalten. Sie täuschen also die Gemeinschaft über ihre wahren Vermögensverhältnisse.

Diese Täuschung, diese Lüge wird offenbar, und der Gemeindevorsteher – nennen wir ihn einmal auf gut Deutsch Peter – tadelt die Eheleute Hananias und danach auch Saphira individuell aufs heftigste: „Wie konntest du uns das antun? Du hättest deinen Besitz für dich behalten können. Wir wären auch ohne deinen Immobilienverkauf einigermaßen über die Runden gekommen. Aber dass du uns belogen hast, ist unter aller Kanone! Damit zerstörst du die Gemeinschaft im Wort. Wer lügt, untergräbt sinnvolles Zusammenleben. Es wäre besser gewesen, ihr hättet eure Immobilie für euch behalten, statt uns zu belügen!“

Wie ist die Geschichte von Hananias und Saphira aus der Feder des griechischen Schriftstellers Lukas zu deuten? Vermutlich so: Wichtiger als Hab und Gut, wichtiger als Verteilungsgerechtigkeit, wichtiger als die Aufgabe des individuellen Reichtums zugunsten der Gemeinschaft ist die Gemeinschaft im Wort. Nur wer frei entscheidet, seine Entscheidung dann redlich und ehrlich verkündet, dient der Gemeinschaft. Die Gemeinschaft des Wortes ist entscheidend, ist der Dreh- und Angelpunkt der Europäischen Union.

Wahrheit und Freiheit sind wichtiger als Wohlstand. Ehrlichkeit ist wichtiger als Pseudo-Sozialismus. Wichtiger als die Vergemeinschaftung der Immobilienverhältnisse ist die Redlichkeit des Wortes.

Diese urgriechische Einsicht gilt auch im Verhältnis zwischen Staaten.

Die Europäische Union steht und fällt mit der Gemeinschaft im Wort. Das hat Europa von den Griechen gelernt. Griechenland hat Europa diese in griechischer Sprache verfassten Urtexte des europäischen Selbstbewusstseins geschenkt. Dafür sind wir ihm zutiefst dankbar.

Quellenangabe zur Geschichte von Hananias, Saphira und Peter:
Apostelgeschichte der christlichen Bibel, Kapitel 5, Vers 1-11, hier zitiert nach der griechischen Urfassung Novum testamentum graece, ed. Nestle-Aland, Deutsche Bibelgesellschaft Stuttgart, 1993, S. 332-333

Sollen wir Mindestlöhne wie in Höhe der Löhne in Ungarn zahlen?

Eine steile These stellt der ungarische EU-Kommissar Laszlo Andor in den Raum. Die Löhne in Deutschland seien zu niedrig, durch jahrelange Lohnzurückhaltung habe Deutschland die anderen EU-Länder in die Enge getrieben. Deutschland müsse unbedingt höhere Mindestlöhne einführen.

www.morgenpost.de/politik/ausland/article109366808/EU-Kommissar-gibt-Deutschen-Schuld-an-Euro-Krise.htmle

Im Klartext: Die Löhne in Deutschland sind zu niedrig. Die anderen Länder leiden, weil Deutschland zu niedrige Löhne zahlt.

Was ist daran? Ein Blick auf die ungarischen Durchschnittslöhne schafft Klarheit. Ein ungelernter Arbeiter verdient in Ungarn monatlich 290 Eur, also etwa den Verdienst von einer Woche, den ein gleichwertiger Arbeiter in Deutschland erhielte.  Ein Akademiker, der in Ungarn seine erste Stelle antritt, verdient monatlich  etwa 465 Euro, also etwa so viel, wie ein deutscher Arbeitsloser erhält. Eine Stellenbörse berichtet folgendes:

Die ungarischen Löhne werden in der hiesigen Währung Forint ausgezahlt. Die Einführung des Euro ist bis heute an der hohen Inflation und den Schulden des Landes gescheitert. Innerhalb der EU werden in Ungarn vergleichsweise niedrige Löhne ausgezahlt. Ein unqualifizierter Arbeitnehmer etwa verdient 69.000 HUF (ungarische Forint), das sind umgerechnet etwa 290 €. Absolventen einer Hochschule dagegen verdienen bereits 110.400 HUF, was in etwa 465 € entspricht.

Das Ungarische Zentralamt für Statistik für regelmäßig Erhebungen über Löhne und Gehälter aus. Sie werden daraufhin auf der Homepage http://portal.ksh.hu veröffentlicht und sind dort kostenlos einsehbar. Sowohl in ungarischer als auch in englischer Sprache können Sie sich dort aktuell informieren.

Eine Erhöhung des deutschen Lohnniveaus auf das 5-oder 10fache des ungarischen Durchschnittseinkommens würde Ungarn  und anderen Niedriglohnländern in der Tat Wettbewerbsvorteile verschaffen.

Tatsache ist: Deutschland hat ein weit höheres Lohnkostenniveau und ein weit höheres Sozialleistungsniveau als Ungarn.

Die Lohnzurückhaltung der vergangenen Jahre hat zur Stärkung der Exportkonjunktur in Deutschland beigetragen, hat andererseits die Wettbewerbsfähigkleit Deutschlands auf dem Weltmarkt gestärkt.

Längerfristig wird und soll der Trend eher zu einer Annäherung der Löhne und Kosten in der EU hingehen – wie in anderen Binennmärkten auch. Eine noch weitere Spreizung der Löhne zwischen Deutschland und anderen EU-Ländern, wie vom EU-Kommissar gewünscht, wäre kontraproduktiv. Denn sie würde zur Verlagerung von Arbeitsplätzen aus Deutschland in Niedriglohnländer beitragen.

Wie auch wir erlassen unsren Schuldnern

Guter, profunder, nachdenklich stimmender Artikel von Ulrich Hege und Harald Hau, beide Professoren für Finanzwirtschaft, in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung heute auf Seite 14!

Sie sagen: Es ist besser, einen radikalen, gleichwohl geordneten  Schuldenschnitt mit starken Verlusten insbesondere für die Finanzinvestoren durchzuführen statt durch Vergemeinschaftung der Schulden, wie sie die unbegrenzten Anleihenkäufe der EZB darstellen, einen unbeherrschbaren Zyklus aus Geldentwertung, Staatsfinanzierung durch die Notenpresse und politischer Erpressbarkeit einzuleiten.

Überschuldung von Staaten, Zahlungsunfähigkeit von ganzen Ländern und Reichen ist nichts Ungewöhnliches, sondern kommt häufig vor, wie ein Blick in die Geschichte lehrt:

1535 verbrannte Anton Fugger, der reichste Kaufmann der Vaterstadt Leopold Mozarts, also Augsburgs, demonstrativ den Schuldbrief Kaiser Karls des Fünften. Der Habsburger war zahlungsunfähig geworden, weil er sich wieder einmal zu viel Geld, diesmal  für einen Feldzug in Tunesien geliehen hatte. Was hätte Fugger tun sollen? Hätte er dem Kaiser die Schuld durch Ausgabe neuer Schuldtitel strecken können, obwohl er wusste, dass Karl V. sie ihm zu Lebzeiten nie würde zurückzahlen können? Dies wäre unklug gewesen. Fugger tat das für ihn selbst, für seine Familie und seine bis heute zahlreichen Nachkommen Beste: er strich die Schuld durch Verbrennen des Schuldbriefs und erhielt im Gegenzug stärkeren politischen Einfluss, weitere „Regale“, also kaiserliche Bergbau- und Handelsprivilegien.

Schuldenerlass im Gegenzug für Freihandel, Bergbaurechte, politischen Einfluss! Das ist Weisheit. Das Fuggersche Vermögen besteht heute noch, wovon jedefrau und jedermann sich bei Besuchen in der Fuggerstadt Augsburg überzeugen kann. Ein überschuldeter Vorfahr Wolfgang Amadeus Mozarts, sein Urgroßvater Franz Mozart profitierte übrigens ebenfalls von dem legendären Reichtum der Fugger: Er lebte einige Jahre in der Fuggerei, der von den Fuggern gegründeten Stiftung für soziale Grundsicherung, ehe er sich durch eigener Hände Arbeit wieder daraus befreien konnte.

Bild: Fuggerei in Augsburg

„La mitbestimmung“. Verso il modello tedesco? Deutschland als Vorbild?

La famosa „mitbestimmung“ – die berühmte Mitbestimmung, also die Beteiligung der Arbeitnehmer an unternehmerischen Entscheidungen, empfiehlt die italienische Ministerin für Arbeit und Soziales, Elsa Fornero, in einem großen, faktenreichen Interview mit der italienischen Zeitung Corriere della sera, 2. September 2012, S. 7.

Zitat: „Es war genau diese Ausgestaltung der Beziehungen zwischen Arbeitgebern und Arbeitnehmern, die es Deutschland erlaubt hat, aus der Krise zu kommen – il tema delle modalità delle relazioni di lavoro ha permesso alla Germania di uscire dalla crisi.“

Goldene Worte, da lacht doch das Herz des guten Europäers. Der Drache der Hoffnung steigt über dem Mittelmeer auf. So kommen wir voran, in kleinen Schritten, in piccoli passi. Ce ne vogliono di più, mehr davon bitte!

Lavoro sulle relazioni – Arbeit an Beziehungen, wie die Eheberater und Therapeuten sagen – das ist das Zauberwort!

Sehr lesenswert, was die Sozialministerin sagt!

Kreuzberger Pfade von der versteinerten Sprachlosigkeit hin zu den Ölweiden des Wortes

Ein Kommentar des Kreuzberger CDU-Ortsvorsitzenden Johannes Hampel

„Jeder sollte seine Worte wägen.“ So äußert sich Bundeskanzlerin Merkel angesichts der gegenwärtigen angespannten Lage in der Europäischen Union und verschiedener rhetorischer Schnellschüsse aus dem Lager der Regierungskoalition.

Das sind goldene Worte. Es fällt in der Tat auf, dass einige führende Politiker einen scharfen, unversöhnlichen Ton anschlagen: „Ihr habt eure Hausaufgaben nicht gemacht, ihr Faulen müsst raus aus dem Euro!“, „Und ihr Gierigen verdient euch eine goldene Nase am Spread!“, „Wir zahlen nicht für eure Krise!“, „Und wir zahlen nicht für eure Krise!“, „Das Vierte Reich kommt!“.

Es fehlt am guten, gelingenden, verbindenden Wort.

Betrachtet man die Fernsehprogramme unterschiedlicher EU-Länder, so sticht die eindeutig nationale, schrille Färbung der Berichte sofort in Aug und Ohr. Der nationale Unterton verbindet die ansonsten gegnerischen Parteien der Länder auf verblüffende Weise, stellt sie andererseits gegen die vermeintlichen Schwesterparteien in den anderen Ländern. So leitete der italienische staatliche Fernsehsender RAI tre am 28.06.2012 eine Diskussionssendung mit den Worten ein: „Heute abend spielt in der Ukraine  Italien gegen Deutschland – und in Brüssel spielt Deutschland gegen Europa. Schauen wir doch mal, wer gewinnt!“

Auch die EVP – also die europäische Parteienfamilie, der die CDU angehört – tritt nicht mit abgestimmten, länderübergreifenden Vorschlägen hervor. In der Krise ist jedes Land sich selbst am nächsten.

Aber auch hier trifft Kanzlerin Merkel am ehesten den richtigen Tonfall: „Wir tragen füreinander Verantwortung.“

Die Worte der Kanzlerin sind Schritte auf dem Weg zur Lösung der Krise. Und das goldene Kriterium der Gangbarkeit einer Lösung ist für alle Außenstehenden, für alle Wähler, die ja naturgemäß die volle Komplexität der Lage nicht kennen, die Gemeinsamkeit des Wortes. Daran fehlt es – noch.

Europa zeigt sich leider als ein noch sprachloser Kontinent. Ein Beleg dafür mag auch sein, dass es nicht einmal gemeinsame Worte für die europäische Hymne gibt. Man hat sich auf eine bekannte Weise unseres Ludwig van Beethoven geeinigt, aber der Text fehlt.

So hat man denn die Teile und die Töne in der Hand, fehlt nur noch das einigende Band. Wo die vielbesungenen Millionen Brüder- und Schwesterherzen nicht zusammenfinden, da helfen auch die vielbeschworenen Millionen oder Milliarden oder besser Billiarden Euro nicht.

In dieser Sprachlosigkeit gibt es keine europäische Identität, wie Jutta Limbach, von 1994 bis 2002 Präsidentin des Bundesverfassungsgerichts, heute sehr treffend in der FAZ ausführt.
Das gute, gemeinsame, das redliche Wort tut not. Aufgabe der Bürger und auch der Politiker wird es sein, in den nächsten Monaten und Jahren solche Wachstumspole der Gemeinschaft des Wortes zu setzen. Das könnte darin bestehen, dass man sich bewusst und beherzt der Sprache eines EU-Nachbarn zuwendet, wir als Deutsche etwa dem Polnischen oder Tschechischen.

Aus der Öffnung zum Nachbarn oder zum „Nächsten“ kann Gemeinschaft des Wortes entspringen. Erst danach, viel später, wird man den Weg zu einer europäischen Identität ertasten können. Erzwingen oder verordnen lässt sich eine Union der Vereinigten Staaten von Europa nicht, auch nicht mit noch so viel Geld.

Unser Bild zeigt die Ölweiden im Garten des Exils am Jüdischen Museum in Kreuzberg, aufgenommen gestern bei einer gemeinsamen Radtour durch unseren Bezirk. Nur aus den gemeinsamen tastenden Wegen der Menschen, nur aus den Ölweiden des freien, verbindenden Wortes kann nach und nach eine echte Europäische Gemeinschaft erwachsen.

Damit alle gewinnen.

Um der Freiheit willen: Hier endete Peter Fechters Weg

Bild

Auf den Tag, ja auf die Sunde genau 50 Jahre danach statten wir der Stelle, an der Peter Fechter verblutete, einen Besuch ab. Steigen ab, falten die Hände. Nur wenige Passanten halten inne. Ein stummer Kaffeetrinker auf dem Trottoir beobachtet die Szene. Das große Gedränge bildet sich zweihundert Meter weiter am Checkpoint Charlie. Etwa 100 bis 200 Meter Entfernung mochten auch damals zwischen Peter Fechter und den Todesschützen liegen. Damals fanden abgerissene, gespenstische Rufe den Weg hin und her über die Mauer der Schande. „Stand fast. Do nothing.“

Und nach etwa 50 Minuten starb ein Mensch. Er schrie nicht mehr. Er wimmerte. Er verstummte.

Er wollte nur die Freiheit.

Und heute?

„Hier endeten meine Wege.“ Mit diesen Worten erinnerte sich Bundeskanzlerin Angela Merkel im Jahr 2007 am 50. Jahrestag der Römischen Verträge zur Gründung der Europäischen Gemeinschaften ihrer gespenstischen Eindrücke von der Berliner Mauer.

Die Berliner Mauer steht heute nicht mehr. Aber sind wir uns dessen auch immer bewusst? Das Leben und die Freiheit des Menschen sind die höchsten Güter. Diese gilt es zu schützen gegen Gewalt, gegen Allmachtsdrohungen der Politik und des Staates.

Nicht das Geld, nicht der Wohlstand, nicht die Währung Euro sind die höchsten Güter.

Sondern der Mensch.

Seine Würde.

Das Leben.

Die Freiheit.

Bu davet bizim – das ist unsere Einladung

Bu memleket bizim – das ist unser Land.
Bu davet bizim – das ist unsere Einladung.
Bu hasret bizim – das ist unsere Sehnsucht.

In den Zeilen Hikmets, die auch am 19. Juli bei unserem Treffen im Park im Mittelpunkt stehen werden,  wird erfahrbar, wie kostbar die Freiheit – selbstverständlich auch die politische Freiheit – ist. Gelingende Politik stiftet Gemeinschaft im Wort: unser Land.

Gelingende Politik schließt andere Menschen, andere Völker ein statt aus: unsere Einladung.

Wie schwer ist es, sich im Gezänk über Geld dieses Wertes bewusst zu bleiben!

Gelingende Politik strebt erlebten Wünschen nach: unsere Sehnsucht.

Gelingende Politik, gelingendes Zusammenleben beruht darauf, dass alle sich dieser Zugehörigkeit, diesem Streben nach Freiheit und Brüderlichkeit verpflichtet wissen.

Hört selbst:

Nâzım Hikmet:

DAVET
Dörtnala gelip Uzak Asya’dan
Akdeniz’e bir kısrak başı gibi uzanan
bu memleket bizim.

Bilekler kan içinde, dişler kenetli, ayaklar çıplak
ve ipek bir halıya benzeyen toprak,
bu cehennem, bu cennet bizim.

Kapansın el kapıları, bir daha açılmasın,
yok edin insanın insana kulluğunu,
bu davet bizim.

Yaşamak bir ağaç gibi tek ve hür
ve bir orman gibi kardeşçesine,
bu hasret bizim.

Quelle:

Türkçe Okuma Kitabı. Erste türkische Lesestücke. Herausgegeben von Celal Özcan und Rita Seuß. Illustrationen von Rita Seeberg. Deutscher Taschenbuch Verlag, 2. Auflage, München 2011 [=dtv 9482], S. 76

„Yaşamak bir ağaç gibi – Aus den Gärten komm ich zu euch“, oder: Auf welchem Fundament gedeiht Europa?

„Wir wollen uns an die Abmachungen halten. Das ist das Fundament, auf dem Europa nur gedeihen kann.“  So wird Bundeskanzlerin Merkel 16.06.2012 in der ARD-Tagesschau zitiert.

Abmachungen einhalten, Wahrhaftigkeit, Redlichkeit des Wortes – ist dies das Fundament, auf dem Europa neu gedeihen kann? An diesem Abend wollen wir ein politisches Gedicht über die Freiheit von Nazim Hikmet und eines von Friedrich Hölderlin kennen und lieben lernen.

Zum Mitmachen, Mitsprechen  und Mitwachsen für alle. Anschließend politische Diskussion.

Treffpunkt:  Donnerstag, 19. Juli 2012, 20.00 Uhr, Park am Gleisdreieck, Kreuzberg-West.

Neuer Kiosk am Park-Eingang (von der Hornstraße her, siehe Foto)

In Deutsch und Türkisch

Liegt das europäische Kind im Sterben – oder schläft es nur?

Der Kolumnist des angesehenen Economist erkennt anhand eines Vergleiches mit dem Zusammenwachsen der USA sehr scharfsinnig die grundlegende Schwäche der derzeitigen Euro-Konstruktion, nämlich den Umstand, dass die stärkere politische Integration der Erhaltung des Geldes dienen soll. Dem Geld werden derzeit alle anderen Erwägungen untergeordnet. Jede Idee der Freiheit fehlt in der Politik der europäischen Regierungen. Die Politik hat die Euro-Länder in einen Raum hineinmanövriert, der die freie Entscheidung zunehmend unmöglich zu machen droht. „Die letzten Aschefunken der europäischen Idee liegen im Sterben.“ Wir zitieren aus der letzten Nummer des Economist:

America created political union followed by fiscal union. But Europe is doing things backwards, creating the euro partly in the hope of fostering political union. So fiscal integration is being pushed not to preserve freedom and a new nation, but to save a failing currency. In any case the embers of Europeanism are dying. French and Dutch voters killed the proposed EU constitution in 2005. Inter-governmentalism is the new fashion.

viaCharlemagne: 1789 and all that | The Economist.

Jeder, der sagen wollte: Das Kind ist nicht gestorben, es schläft nur, der würde doch wohl ausgelacht, oder?  Allen Lachern sei entgegnet: Ein zugefrorner Fluss ist auch nicht tot, er wird zu neuem Leben erwachen! Schaut euch die zugefrorene Havel in Brandenburg an! Sie fließt untergründig weiter und wird leben!

Griechenland verstehen

Um Griechenland besser zu verstehen, muss man mit den Griechen selbst, mit kenntnisreichen Auslandsgriechen, aber auch mit Reisenden und Kaufleuten anderer Nationen sprechen, die das Land gut kennen, dort gelebt und gearbeitet haben, die Sprache sprechen. Man muss Griechenland bereisen, sich in Tavernen setzen und den Menschen zuhören – wie es wohl Herodot einmal bei den fernen Skythen und den Ägyptern machte. Tut man dies, so wird man – als Herodot unserer Tage – etwa folgende Geschichte erzählen können, wie sie die Menschen, die sich auskennen, auf den Tisch der Tavernen legen:

1) In Griechenland herrsche seit vielen Jahrzehnten eine kleine, begüterte Oberschicht, bestehend aus nicht mehr als 20 Familien, die den Großteil des privaten Vermögens besäßen und über die Verteilung staatlicher Mittel entschieden. Die beiden großen Parteien ND und PASOK seien ebenfalls im Besitz dieser Familien. Es herrsche ein unbeschreibliches Maß an Korruption und Vetternwirtschaft. Eine gute Operation bekomme man nicht ohne vorher 20.000 Euro schwarz und in bar auf den Tisch des Chirurgen zu legen. Alle Chirurgen besäßen – trotz offiziell bescheidenster Gehälter – Luxus-Jachten. Die Korruption sei endemisch und durchziehe das ganze System.

2) Die demokratischen Gremien – Parlament, Regierung, Gewerkschaften, Parteien – seien mehr oder minder Staffage für interne Ressourcenverteilungskämpfe. Es herrsche in ganz Griechenland ein nahezu unbeschreiblicher Klientelismus.
3) Die griechische Gesellschaft sei zutiefst gespalten, der verheerende Bürgerkrieg von 1946-1949 sei übertüncht, aber nicht aufgearbeitet. Vom italienischen Überfall auf Griechenland an über die Besetzung durch Deutschland werde die gesamte Zeitgeschichte in lügenhafter Verzerrung dargestellt, die darauf abziele, Griechenland als Opfer fremder Mächte statt als bürgerkriegsgeschüttelte Gesellschaft zu zeigen.  Selbst Besatzung und Widerstand seien in Wahrheit teilweise als innergriechischer Bürgerkrieg zu sehen.
4) Seit Jahrzehnten würden immer wieder die Deutschen als Sündenböcke für eigene Unzulänglichkeiten und Staffage für eigene Großmannsträume hergenommen.
5) Die Deutschen wiederum hätten sich durch kaltherzige Besserwisserei und Schulmeisterei im Griechenland unbeliebt gemacht. Sie hätten kein Zeichen der Empathie gesetzt. „In London kaufen die Superreichen Griechenlands mit EU-Mitteln ganze Straßenzüge auf, zuhause in Griechenland wachsen Arbeitslosigkeit, Verschuldung und gerechter Zorn, und die Deutschen setzen uns jetzt die Daumenschrauben an.“
5) Hauptursache der Staatsverschuldung in Griechenland scheint nicht so sehr der Staatshaushalt zu sein als vielmehr die durchweg akzeptierte Mitnahme- und Selbstbereicherungsmentalität der griechischen Oberklasse, die von ganz oben bis nach ganz unten durchsickere. Die politische Klasse des Landes sei nicht vertrauenswürdig.
6) Die griechische Oberklasse schaffe in diesen Wochen verstärkt in riesigen Mengen staatliches Geld, vor allem auch EU-Geld beiseite, investiere dies in Immobilien im Ausland, namentlich in Deutschland, Großbritannien und USA.
7) Die bisherigen EU-Hilfen scheinen dieses durch und durch korrupte System zu stützen und zu verstetigen.
8) Derartige Wahrheiten werden aber öffentlich kaum ausgesprochen, von wenigen Ausnahmen wie etwa der früheren Europa-Abgeordneten Nana Mouskouri oder Georgios Chatzimarkakis MdB abgesehen.

Lohnkürzungen und Jobabbau: Griechen rebellieren gegen Spardiktat – SPIEGEL ONLINE – Nachrichten – Wirtschaft.