Der heutige Stammtisch widmete sich zunächst dem Wahlausgang. Der Berliner CDU kann man gratulieren: sie hat sich wieder in die Gewinnzone gearbeitet. Der Wahlkampf war solide, der Spitzenkandidat Frank Henkel war gut beraten und vermochte rundweg zu überzeugen – freilich auch ohne irgendwo anzuecken. Die Trendwende in Berlin ist geschafft.
Im Bezirk Friedrichshain-Kreuzberg hat die CDU einen weiterhin sehr schweren Stand und hat die rote Laterne der überwiegend einstelligen Ergebnisse nicht abgegeben. Die Trendwende ist nicht geschafft. Hier tut sicherlich eine schonungslose Ursachenforschung hinter verschlossenen Türen innerhalb des Kreisverbandes not.
Die PIRATEN waren die Überraschung des Wahlganges. Sie sammelten zum einen das Heer der Politikverdrossenen ein, brachten Nichtwähler an die Urnen. Andererseits überboten sie die ohnehin starken linken Parteien noch einmal, indem sie noch mehr vom Staat forderten und noch weniger vom Bürger verlangen als die ohnehin schon verwöhnenden herrschenden Parteien des linken Spektrums. Als überzeugend wurden die beständigen Konsultations- und Beratungsrunden der Piraten bewertet. Bei den PIRATEN kann jeder mitmischen, es gibt noch keine Hackordnung.
Der heute vom Bundestag erweiterte Euro-Rettungsschirm wurde als wesentlicher Schritt zur voll entwickelten Haftungs- und Schuldengemeinschaft gesehen. Nach Griechenland stehe nun zu befürchten, dass andere Länder – Italien, Spanien, Frankreich – die Solidarität der Zahlerländer in Anspruch nehmen würden. Wesentlicher Zweck des Rettungssschirmes sei es, den Schuldnerländern die Zinslast zu erleichtern, um dann schließlich zum berühmten Haircut, also einer pauschalen Schuldenabschreibung von 50, 60 oder 70% hinzuführen. Die Banken würden letzlich gestärkt, die Staaten geschwächt aus der Operation hervorgehen.
Die Mittelschicht, also diejenigen, die Tag für Tag aufstünden, um Geld zu verdienen, die ihre Kinder zum Lernen und Arbeiten erzögen, werde kontinuierlich abnehmen, sie werde zunehmend aufgerieben oder kleingeschliffen zwischen der wachsenden Schar der Empfängerschichten und der schmalen Schicht der Superreichen, die mithilfe des Finanzmarktes für sich den Reichtum absaugten. Bereits jetzt zeige Griechenland in ersten Ansätzen Zeichen des Staatszerfalls, ein Bürgerkrieg sei auch nicht völlig auszuschließen.
In Kreuzberg habe sich die Empfängermentalität breit gemacht. Es gebe für zu viele Menschen keinen Anreiz, sich durch Bildung und Fleiß aus dem Status der Staatsabhängigkeit hervorzuarbeiten. „Wir haben ja alles.“ Die Sozialräume trieben weiter auseinander.
Insgesamt herrschte auf dem Stammtisch eine stark pessimistische Note mit teilweise verzweifelten Untertönen vor.
Und doch sollte man sich nicht niederschmettern lassen, sondern stets auch das Positive sehen. Denn viele gibt es, die vieles an Deutschland gut finden!
Doch wie cool klingt das hier, was ein Stammtischler aus einem neu erschienen Taschenbuch vortrug:
„Ich finde es an Deutschland gut, dass dass man hier nicht arbeiten muss und trotzdem sein Geld bekommt„, so eine typische Kreuzberger Schülerin, zitiert bei Viviane Cismak, Schulfrust, Berlin 2011, S. 146.
Der Stammtischler zitierte weiter:
Der Rest der Kasse nickte zustimmend. „Ja, in der Türkei hat man echte Probleme, wenn man arbeitslos wird. Hier kann man immer noch sehr gut leben und muss noch nicht einmal wieder arbeiten“, warf Faruk ein.
Alle lachten.