„Wann ist in Ihren Augen jemand integriert, der aus einem anderen Land nach Berlin zieht?“
Monika Lüke: „Wenn er nicht diskriminiert wird, wenn er respektiert wird, Chancengleichheit erlebt und wenn er auch politisch mitbestimmen kann.“
So die aufschlussreiche Antwort der westfälischstämmigen Deutschen Monika Lüke, der Integrationsbeauftragten des Berliner Senats, in der Morgenpost von vorgestern. Es ist leicht zu erkennen: Alle vier genannten Bedingungen sind etwas, was die aufnehmende Gesellschaft zu erbringen hat. Denn eine etwaige Diskriminierung erfolgt durch die Mehrheitsgesellschaft, Respekt gegenüber den Zuwanderern müssen die Einheimischen aufbringen, Chancengleichheit und Mitbestimmung ist ebenfalls eine Leistung, die die bestehende Gesellschaft erbringen muss – etwa durch die Zuerkennung des kommunalen Wahlrechts für Ausländer ohne Wenn und Aber.
Der Einwandernde braucht nach Meinung der Integrationsbeauftragten keine Leistung zu erbringen. Integration ist keine Bringschuld, wie Monika Lüke sogar ausdrücklich feststellt, sondern etwas, was dem zu integrierenden Menschen als Holschuld zusteht:
„Wie muss die Integrationsarbeit der Betroffenen selbst aussehen? Gibt es eine „Bringschuld“ der Migranten?“
Monika Lüke: „Nein. Aber wer an der Gesellschaft teilhaben will, muss natürlich auch aus der Begrenztheit der Familie heraustreten und offen sein für sein Umfeld. Ich erinnere mich, als ich in Kambodscha gearbeitet habe, hatte ich auch keine Lust, wie dort üblich, um fünf schon zu Abend zu essen oder als Frau keine Zigaretten mehr zu rauchen. Natürlich habe ich mich aber an die Lebensweise angepasst, bin dort ausgegangen, habe kommuniziert, wie es dort verbreitet ist – höflich und eher distanziert -, und habe mich über die Gegebenheiten vor Ort informiert.“
Eine bündige, knappe Antwort, für die wir dankbar sein müssen! Für ein Scheitern der Integration trägt also die deutsche Gesellschaft Verantwortung. Sie muss sich selbst mehr ins Zeug legen. Sie tut nicht genug. Die Frage, ob jemand sich überhaupt integrieren lassen will, stellt Frau Lüke nicht.
Wie sieht es in anderen Ländern, etwa in den USA aus? Wann ist man integriert? Hierfür gibt die ebenfalls westfälischstämmige Deutsche Lamya Kaddor eine anderslautende, von Monika Lüke deutlich abweichende Antwort:
„Man ist dann integriert, wenn man drei Voraussetzungen erfüllt: wenn man erstens für die grundlegenden Werte der Freiheit, der Gleichheit und des Eigentums einsteht, wenn man zweitens seinen eigenen Lebensunterhalt verdient und wenn man drittens so viel Englisch beherrscht, dass man sich verständigen kann.“
Dieses Einstehen für die Grundwerte der aufnehmenden Gesellschaft, die wirtschaftliche Selbständigkeit und die Kenntnis der Landessprache sind zweifellos Leistungen, die der Einwandernde in den USA aus eigener Kraft erbringen muss. Die drei Voraussetzungen gelingender Integration sind in den USA eine Bringschuld des Einwandernden. Selbstverständlich werden ihm auch in den USA in der einen oder anderen Form Diskriminierungserfahrungen nicht erspart bleiben, er wird vielleicht auch angefeindet werden, aber es herrscht doch Konsens, dass jeder, der für die grundlegenden Werte der demokratischen Gesellschaft eintritt, der nicht vom Sozialamt, sondern von eigener Hände Arbeit lebt und die Landessprache einigermaßen beherrscht, als integriert anzusehen ist. WELCOME TO THE USA!
Lamya Kaddor verhehlt nicht ihre Sympathie für dieses amerikanische Konzept der Integration, die das Vertrauen ganz in den Zuwandernden setzt und alle Hindernisse für überwindbar hält. Millionen und Abermillionen von Zuwandernden haben in den USA die Grundsteine für den eigenen Erfolg selbst gelegt. In Deutschland hingegen sind Hunderttausende und Hunderttausende ohne jede eigene Anstrengung zu bescheidenem Wohlstand und gesichertem Lebensunterhalt für sich und ihre Angehörigen gelangt und tun dies Tag für Tag weiterhin. Gerade in Kreuzberg finden sich viele damit ab, von Zuwendungen des Staates zu leben. „Wir haben alles Nötige: Essen, Unterkunft, kostenlose medizinische Versorgung, kostenlosen Schulbesuch für alle. ES GEHT UNS PRÄCHTIG!“
Welche der beiden Westfälinnen hat nun Recht? Muss die aufnehmende Gesellschaft alle wesentlichen Leistungen erbringen, wie es Monika Lüke behauptet – oder kommt es vor allem auf die Zuwandernden an, wie es Lamya Kaddor zu recht an den USA lobt?
Es stört uns zunehmend und stört wirklich ganz ungemein, dass im verwöhnten Bundesland Berlin stets der üppig von anderen Bundesländern bezuschusste Staat, „die Gesellschaft“, „die Politik“, der Senat für alle Leistungen in Haft genommen werden, die letztlich eine Frucht der Anstrengung des einzelnen sind:
1) Persönliches Eintreten für die Werte des deutschen Grundgesetzes: Menschenwürde, Freiheit, Gleichheit aller Menschen, Gesetzestreue, Rechtsstaatlichkeit, Gleichberechtigung von Mann und Weib, Ablehnung der muslimischen Mehrfrauenehe
2) Streben nach eigenem Verdienst und nach eigenem Besitz durch anständige Arbeit
3) Erlernen der deutschen Landessprache
Das sind wohl die wesentlichen Voraussetzungen, um in diesem Land als integriert zu gelten. Das sollten wir verlangen und erwarten. Wer diese drei Voraussetzungen konsequent ablehnt, wie es leider immer noch viel zu viele Menschen tun, dem ist noch durch die beste Integrationsbeauftragte nicht zu helfen.
Ganz wichtig: Es laufen seit Jahren starke Bemühungen, Zug um Zug inselartig geschlossene Volksgruppen im chaotischen Meer der Bundesrepublik Deutschland zu errichten. Der Nationalismus in den Zuwanderer-Gemeinden ist deutlich auf dem Vormarsch. Hinter dem neuen Schlagwort „Partizipation statt Integration“ verbirgt sich der neuerdings immer deutlicher vorgetragene Anspruch auf Konstitution einer eigenständigen nationalen Minderheit, deren Interessen durch die Herkunftsstaaten – insbesondere Türkei und Polen – wahrgenommen werden. Von der ungeheuren Stärke des türkischen Nationalismus können Menschen, die selbst kein Türkisch sprechen und nie in der Türkei waren, sich kaum eine Vorstellung machen. Der Nationalismus verbindet die meisten Parteien des türkischen Parteienspektrums, – sowohl die Islamisten als auch die Kemalisten bekennen sich weiterhin zur Gemeinschaft des Blutes auf dem ewigen Boden des Vaterlandes. Man sollte dazu das Türkei-Buch des Kreuzberger Politikers Cem Özdemir genau lesen. Ähnliches hat soeben auch Jenny White wieder einmal sehr plastisch herausgearbeitet. Wichtig ist: Die hunderttausendfache Zuwanderung der Türken nach Deutschland ist von Seiten der Türkei niemals als endgültige Auswanderung in ein anderes Land betrieben worden, sondern stets als (vorübergehende) Abwesenheit der Landsleute, oder auch als Errrichten eines Brückenkopfes im Ausland zur Mehrung von Stärke, Größe und Schönheit des ewigen türkischen Vaterlandes. Aus diesem Grund war es nie erklärtes Ziel der türkischen Politik, dass die Auslandstürken sich irgendwann mit den Ländern der Einwanderung verschmelzen sollten. „Einmal Türke – immer Türke!“
Dass die deutschen Politiker diesen fundamentalen Nichtwillen zur Aufgabe der türkischen Volkszugehörigkeit immer wieder übersehen, daran krankt auch die ganze Integrationsdebatte, die im wesentlichen ein Binnenphänomen der Deutschen in Deutschland ist.
Für Deutsche, die eigentlich kein Verhältnis mehr zur eigenen Nation haben oder sie eher als etwas zu Überwindendes betrachten, ist der türkische ebenso wie der polnische Nationalismus eine fremde Welt. Doch müsssen wir unser Ohr für diese fremde Welt öffnen. Einfach alle Nationalisten zu Idioten zu erklären, oder einfach alle nationalistischen Parteien zu verbieten, löst das Problem nicht. Das kann man in Deutschland versuchen, in Polen oder der Türkei wäre es aussichtslos. Man hätte sofort die Mehrheit der Bevölkerung gegen sich.
Wollen wir Deutsche diese von den Zuwanderern praktizierten Volksgruppenkonzepte nach dem Modell der Sowjetunion, Belgiens oder des Osmanischen Reiches wirklich – oder wollen wir die Integration, die Abschleifung und Vermischung der Herkunftsländer in einer gemeinsamen Gesellschaft mit einer einheitlichen deutschen Staatsbürgerschaft?
Monika Lüke oder Lamya Kaddor – welche Frau hat eher recht? Unser Urteil lautet: Punkt, Satz und Sieg in dieser Partie für die mutige, unerschrockene deutsche Muslima Lamya Kaddor. Bei Monika Lüke sehen wir Nachholbedarf. Sie muss wegkommen von den Einflüsterungen und der trommelfeuerartig wiederholten Propaganda der durch die jeweiligen Staaten üppig bezuschussten Migrantenverbände vor allem türkischer Provenienz, weg von den gelehrten soziologischen und politologischen Theorien und sich auf die Straße wagen, in die Schulen, in die Gefängnisse, in die Kneipen, die Kitas und Krankenhäuser. Wie schaut es da aus? Was erzählen die MÜTTER und VÄTER, was erzählen die TÖCHTER und SÖHNE, was erzählen die LEHRERINNEN und LEHRER?
Was erzählen die Menschen?
Auf zu den Menschen!
Hepimiz insaniz – Wir sind alle Menschen!
Hepimiz meleziz – wir sind alle Mischwesen!
Quellen:
Lamya Kaddor: Muslimisch – weiblich – deutsch. Mein Weg zu einem zeitgemäßen Islam. Verlag C. H. Beck. München 2010, S. 106
http://www.mobil.morgenpost.de/printarchiv/berlin/article112422393/Wer-teilhaben-will-muss-offen-sein.html
Cem Özdemir: Die Türkei. Politik, Religion, Kultur. Beltz Verlag, Weinheim 2008
Jenny White: Nationalism and the New Turks. Princeton University Press, 2012
Bild: ein Blick in den zweiten, den westlichen Teil des Parks am Gleisdreieck in Kreuzberg-West bzw. Schöneberg-Ost